Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Rates,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
nach den gewaltigen Investitionen im letzten Haushaltsentwurf 2019 sieht der Haushaltsentwurf 2020 wiederum Investitionen im Umfang von 12,6 Millionen vor.
Es scheint der Wunsch des Bürgermeisters zu sein, „seine“ Gemeinde zum Ende der eigenen Amtszeit „auf Stand“ zu bringen, wie er es in seiner Haushaltsrede bezeichnet.
Das ist verständlich und nachvollziehbar.
Und tatsächlich wird er ein sehr wohl geordnetes Haus hinterlassen, auch wenn der folgende Rat und der neue Bürgermeister die jetzt eingeleiteten Ausgaben umsetzen und die mittelfristige Finanzentwicklung schultern müssen.
Der Bürgermeister hat in seinen letzten Haushaltsreden vier Bausteine für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Finanzpolitik angeführt:
- Steuersenkungen
- Schuldenabbau
- Schaffung und Erhaltung einer modernen Infrastruktur
- Erhalt und Ausbau von Strukturen für unsere Einwohner für eine lebendige familienfreundliche Gemeinde
Der vorliegende Haushalt macht deutlich, dass man offensichtlich nicht alle Ziele gleichzeitig erreichen kann. Die hohen Investitionen in die gemeindliche Infrastruktur lassen keine weiteren Steuersenkungen zu und gehen mit einer erheblichen Neuverschuldung einher.
Aus Sicht unserer Fraktion können wir Grüne im Grundsatz diese investive Ausrichtung der aktuellen Finanzplanung unterstützen.
Bevor wir genauer dazu Stellung nehmen, ist noch anzumerken, dass unsere Fraktion diesen Bausteinen noch ein Fundament hinzufügen würde. Das haben wir mit unserem Antrag zum Klimanotstand versucht. Angesichts der dramatischen Situation des Planeten muss die Grundlage aller Entscheidungen auch immer die Klima- und Umweltverträglichkeit sein.
Saerbeck hat mit dem IKKK schon ein umfassendes, wegweisendes Fundament in dieser Richtung entwickelt und weitgehend umgesetzt. Trotzdem wünschen wir uns – besonders außerhalb der beispielhaften Klima- und Energieprojekte – konsequenter Prioritäten im Sinne des Klima- und Umweltschutzes.
Zunächst zum Baustein: Steuersenkungen
Auch wir Grüne möchten natürlich unnötige Belastungen der Bürger und Unternehmen vermeiden.
Aber – in der Abwägung: Steuersenkung oder Investitionen in nachhaltige Infrastruktur (oder auch Erhalt der finanziellen Unabhängigkeit – wie in den Krisenjahren) hat das Gemeinwohl für uns eindeutig den Vorrang. Wir können also damit leben, wenn in diesem Haushaltsplan auf Steuersenkungen verzichtet wird.
Entscheidend für die Akzeptanz von Steuern ist die Steuergerechtigkeit und die erkennbare, nutzbringende Verwendung der Steuereinnahmen. Und die können die Bürgerinnen und Bürger in Saerbeck meistens direkt vor der Haustür sehen und erleben.
Interessant in diesem Zusammenhang auch das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Bundesfinanzministeriums, wonach 76% der Bürgerinnen und Bürger ihre Steuern durchaus gerne zahlen für sinnvolle Investitionen wie z.B. in Bildung, Wohnungsbau und Gesundheitswesen.
Zum Baustein „Schulden“
Schuldenabbau ist ein hohes Ziel in einer soliden Finanzpolitik. Es ist bedauerlich, dass der Schuldenstand jetzt durch die notwendigen Finanzmittel wieder rapide ansteigt.
Aber Schulden sind nicht gleich Schulden! Es ist ein großer Unterschied ob (Kassen)kredite zur Finanzierung struktureller Haushaltslöcher aufgenommen werden müssen oder für nachhaltige, rentierliche Investitionen eingesetzt werden.
Und es macht sicherlich auch Sinn, die augenblickliche Niedrigzinsphase für Investitionen zu nutzen bzw. Fördermaßnahmen auszuschöpfen (wofür an dieser Stelle der Verwaltung für ihre findige Kreativität zu danken ist!)
Die Gemeinde ist bisher gut damit gefahren – sogar in schwierigen Haushaltsituationen – die gemeindliche Infrastruktur, die Bildungseinrichtungen und die Rahmenbedingungen für Betriebe (z.B. sichere Stromversorgung) kontinuierlich zu verbessern.
Durch die hohen Standards ist und bleibt Saerbeck attraktiv für Familien und Betriebe!
Auch die Schulden für Investitionen in den Bioenergiepark haben sich als höchst rentierlich erwiesen. Nicht nur der Kämmerer freut sich z.B. auf die Erträge des gemeindeeigenen Windrades, die schon bald in der mittelfristigen Planung erscheinen werden.
Natürlich muss die Schuldenentwicklung auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen werden. Die Wirtschaftsprognosen sehen je nach Quelle sehr unterschiedlich aus.
Wir möchten daher auch diesen Haushalt als Plan verstanden wissen und einzelne Investitionsentscheidungen (wie z.B. die Fahrzeugbeschaffungen und nicht zwingende Sanierungsmaßnahmen) von der konkreten Gewerbesteuerentwicklung in diesem Haushaltsjahr abhängig machen.
Zum Thema Schaffung und Erhalt einer modernen Infrastruktur
Der Bürgermeister hat in seiner Haushaltsrede die positive wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in den Gewerbegebieten Schulkamp, Nord 1 und im Bioenergiepark dargestellt. Damit hat sich die Gemeinde zu einem eigenständigen Wirtschaftsstandort entwickelt. 2400 Arbeitsplätze sind bezogen auf die Einwohnerzahl eine enormer Erfolg. Dank der erfolgreichen Unternehmen verfügt die Gemeinde über eine hohe Steuerkraft, die ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten bietet.
Das Gewerbegebiet „Bioenergiepark“ war dabei für uns Grüne ein Glücksfall, weil hier langjährige grüne Ziele umgesetzt wurden und Ökonomie und Ökologie zusammen verwirklicht werden konnten. Der Bioenergiepark ist ein Beispiel dafür, wie wirtschaftliches Wachstum umwelt- und klimaverträglich gestaltet werden kann. (Schlagwort: Green New Deal)
Um Wasser, Nahrung, Ressourcen und Vielfalt der Natur für eine wachsende Erdbevölkerung zu sichern ist aber ein grundsätzliches Umdenken in der Wirtschaft erforderlich.
Dazu gehört in der Konsequenz auch die Frage, ob permanentes Wachstum als Grundprinzip unseres Wirtschaftssystems noch zu verantworten ist.
Schon 1972 hat der Club of Rome die Grenzen des Wachstums aufgezeigt und heute erleben wir in jedem Jahr ein Vorrücken des Tages, ab dem wir über die erneuerbaren Ressourcen hinausleben. Im letzten Jahr hat die Menschheit schon ein halbes Jahr auf Pump gelebt.
Vor diesem Hintergrund muss die Wachstums- und Konsumproblematik auf jeder Ebene – vom privaten bis zu den öffentlichen Haushalten in Bund, Ländern und Kommunen hinterfragt werden.
Besonders aber in einer „leidenschaftlich nachhaltigen“ Gemeinde!
Mit dem Gewerbegebiet Nord 2 und den fast 19 Hektar vermarktbare Gewerbeflächen sowie 4,1 Mio Euro kreditfinanzierten Investitionen hat Saerbeck jedenfalls wieder ein klares wirtschaftliches Wachstumssignal gesetzt.
Die Erwartung von 240 Arbeitsplätzen, weiter steigenden Gewerbesteuereinnahmen und Risikostreuung sind sicherlich gute Argumente nach dem klassischen Wirtschaftsdenken.
Gleichzeitig haben wir aber auch schon jetzt ein sehr hohes Steueraufkommen pro Einwohner.
Für uns stellt sich da die Frage:
Sollte eine Gemeinde mit einer relativ konstanten Einwohnerzahl (bis 2040 eher sinkend lt. Prognose NRW-Bank) nicht auch irgendwann aus ihrem Bestand gut leben können?
Für schwankende Gewerbesteuereinnahmen gibt es zur Not Ausgleichsinstrumente im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, ohne die Selbständigkeit zu gefährden.
Zudem gilt in einer landwirtschaftlich orientierten Gemeinde: Landwirtschaft ist auch Wirtschaft!
Gerade eine regionale Kreislaufwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung, wie sie auch viele Landwirte wünschen, benötigt ausreichende Flächen, z.B. um Futterimporte aus Brasilien zu vermeiden. Auch vermehrter Artenschutz in der Landwirtschaft benötigt Fläche!
Wir Grüne möchten daher das Wachstum der Gewerbeflächen im Sinne der Klimaziele entschleunigen!
Saerbeck ist bisher zwar spitze bei der Energiewende, leider aber auch auch beim Flächenverbrauch. Diese Spitzenstellung teilt sich Saerbeck mit dem Kreis Steinfurt insgesamt.
Durch die Landesregierung sind hier leider alle Leitplanken zum Flächenverbrauch gefallen. Die bisherige Begrenzung des Flächenverbrauchs auf 5 ha pro Tag wurde im letzten Jahr aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen.
Für Nord 2 sind die Fakten nun geschaffen!
Was wir Grüne nun noch fordern können, ist eine nachhaltige Bewirtschaftung der neu gewonnen Flächen.
Eine sofortige, komplette Vermarktung, wie sie der Bürgermeister in seiner Haushaltsrede fordert, lehnen wir daher ab!
Wir möchten, dass Flächenreserven für heimische Betriebe auch für die nächsten Jahre vorgehalten werden – auch wenn sich das negativ auf die Refinanzierung und mittelfristige Finanzplanung auswirkt.
Und wir möchten, dass die Vergabe von Gewerbeflächen vorrangig an Betriebe im Sinne einer Energie- bzw. Klimaverträglichkeit erfolgt.
Hier scheinen sich für die Gemeinde mit ihrem Image als Klimakommune gute Möglichkeiten zu ergeben. Hier zeigt sich auch, dass sich die Personalkosten für den Projektleiter der Klimakommune nicht nur im Bioenergiepark als rentierlich erweisen. Ebenso wie die Kosten für den European Energie Award als bestes Wirtschafts-Marketing für Saerbeck.
Die Investitionen in die Breitbandversorgung wird Wachstum im Rahmen der Digitalisierung ermöglichen – wobei deren rasant zunehmender Stromverbrauch dann allerdings auch im Rahmen der Energiewende zu stemmen ist.
Die Erneuerung des Nahwärmenetzes im Bioenergiepark, Straßenbeleuchtung, Gebäude – und Straßensanierungen, Fahrzeuge und die Investitionen im Bereich der Kläranlage werden von uns unterstützt. Für die Kläranlage sehen wir in Zukunft weiteren Wachstumsbedarf für eine weitere Reinigungsstufe für Mikroschadstoffe.
Prinzipiell ist auch der Ausbau des Radweges und die Sanierung der Ibbenbürener Straße für uns wünschenswert. Wir hatten uns hier aber eine Planung gewünscht, die den alten Baumbestand weitgehend erhalten hätte, statt nur langfristig zu kompensieren.
Zu den im Haushaltsentwurf eingestellten 2,5 Mio. Euro für den Erwerb von Gesellschafteranteilen an der SaerVE wiederholen wir unsere grundsätzliche Position zum Netzerwerb: Wir haben die bisherigen Beteiligungen in die Infrastruktur und die elektrischen Netze als rentierliche Investitionen unterstützt. Für uns sind diese Investitionen wesentliche Bestandteile des Konzeptes einer autarken, regionalen Energieversorgung. Eine Kreditfinanzierung über neue Darlehen halten wir bei dieser Investition für vertretbar, da eine langfristige Refinanzierung und Gewinnerwartung sicher ist.
Zum Baustein: Lebendige und familenfreundliche Gemeinde
Der sehr gute Zustand der Saerbecker Schulen, Bildungs- und Sporteinrichtungen ist ein Aushängeschild der Gemeinde. Hier gab es zu keiner Zeit einen „Investitionsstau“, weil parteiübergreifend die Bedeutung eines guten Bildungsangebotes für die Entwicklung einer familienfreundlichen Gemeinde gesehen wurde.
Mit dem Einstieg in den weiteren Ausbau der Gesamtschule werden nun auch dort die räumlichen Anforderungen für den integrativen Unterricht umgesetzt. Wir unterstützen die Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen um gute Rahmenbedingungen zu schaffen für die mit hoher Qualität geleistete pädagogische Arbeit in unseren Schulen und Bildungseinrichtungen.
Das gilt natürlich auch für die Jugendarbeit im JUZE, das einen attraktiven Standort braucht – entweder über Sanierung oder neue Räumlichkeiten. Den Erhalt der Kontinuität der pädagogischen Arbeit halten wir auch gerade in diesem sensiblen Bereich für notwendig und richtig.
Die Schaffung von Wohnraum für junge Familien ist vor dem Hintergrund des knappen Angebotes auf dem Wohnungsmarkt für uns nachvoll-ziehbar. Laut Statistik der „NRW-Bank“ gab es in den letzten Jahren in Saerbeck durchaus einen Zuwachs von Mehrfamilienhäusern, der deutlich über dem von vergleichbaren Gemeinden lag. Trotzdem besteht hier auch weiterhin Bedarf für bezahlbaren Wohnraum und kleinere Wohnungen. Wir möchten, dass bei der Planung neue Baugebiete auch gute und kreative Konzepte für Mehrfamilienhäuser integriert werden können.
Für die große Nachfrage nach Bauplätzen für Ein-und Zweifamilienhäuser, gab es in der Gemeinde seit Jahren kaum Angebote. Um jungen Familien hier eine Perspektive in Saerbeck zu geben, stimmen wir den geplanten Investitionen in die Planung und Erschließung der Baugebiete Eschgarten III und IV zu.
Wir werden darauf drängen, dass der mit den neuen Baugebieten verbundene Flächenverbrauch durch bestmögliche ökologische und energetische Standards bei der Gestaltung der Baugebiete wenigstens teilweise kompensiert wird.
Das hohe Engagement in Vereinen, Kirchen und Hilfsorganisationen aber auch die gelungene Integration der Flüchtlinge zeigen, dass soziales Miteinander in der Gemeinde funktioniert. Auch hier besteht parteiübergreifend Übereinstimmung durch freiwillige Leistungen das soziale Engagement der Bürgerinnen und Bürger weitgehend zu fördern. Wir danken hier an dieser Stelle auch allen Menschen, die sich im Ehrenamt für Saerbeck engagieren.
Danken möchten wir Grüne aber auch allen, die – amtlich oder ehrenamtlich – das große Projekt Klimakommune mit allen Facetten vom Bioenergiepark, dem Außerschulischen Lernstandort, Stammtischen bis zur Genossenschaft mit großem Engagement voranbringen. Sie leisten damit zukunftsweisende Beiträge weit über die Region hinaus.
Zu den vorliegenden aktuellen Anträgen:
Den verschiedenen Anträgen der CDU zum Haushalt können wir zustimmen, da sie den Haushalt nicht oder kaum belasten und wir inhaltlich keine Einwände haben. Warum der vom Land ausgeschriebene Heimatpreis im Rahmen des Haushalts eingebracht wird, ist für uns allerdings nicht ganz verständlich.
Dem Antrag von Falke Saerbeck stimmen wir zu, wenn die Finanzierung der Flutlichtanlage aus Mitteln der Sportförderung erfolgen kann.
Nach eingehender Abwägung werden wir trotz unserer Kritik zum Flächenverbrauch bei der Gewerbeentwicklung dem Gesamtentwurf des Haushalts zuzustimmen.
Über Beschlüsse des Rates zum Gewerbegebiet Nord II werden wir wegen der angeführten Bedenken jeweils im Einzelfall entscheiden.
Zum Schluss danken wir dem Kämmerer Guido Attermeyer und seinem Team für die Erstellung des umfangreichen Haushaltsentwurfs.
Wir wissen die gute und engagierte Arbeit des Bürgermeisters und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung und im Bauhof sehr zu schätzen! Dabei möchte ich heute auch den scheidenden Bauamtsleiter Andreas Fischer besonders erwähnen.